Basiswissen über Prostatakrebs
1. Die Prostata – Eine anatomische Einordnung
Die Prostata, auch Vorsteherdrüse (weil sie vor der Blase steht) genannt, ist bei jungen Männern etwa kastaniengroß. Sie liegt im Becken unterhalb der Harnblase und umschließt den obersten Teil der Harnröhre. Sie produziert ein milchiges Sekret, das beim Samenerguss abgegeben wird, sich mit den Samenzellen vermischt und für ihre Ernährung und Fortbewegung sorgt. Oft vergrößert sich die Prostata im Alter und kann Beschwerden beim Wasserlassen verursachen, weil sie auf die Harnröhre drückt.
2. Die häufigste Krebserkrankung des Mannes
Mit etwa 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist das Prostatakarzinom (PCa) derzeit die häufigste Krebserkrankung des Mannes bei uns in Deutschland. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ungefähr 69 Jahren. Der Krankheitsverlauf wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Hierzu zählen besonders die Eigenschaften des Tumors, der Zeitpunkt der Diagnose und das Alter des Mannes. Obwohl dieser Krebs die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache beim Mann ist, nutzen nur rund 25 Prozent die von den Krankenkassen finanzierte Prostatakrebsfrüherkennung. Leider gehen viele Männer erst dann zum Arzt, wenn sie ernsthafte Beschwerden haben. Vorsorge ist aber sehr wichtig, denn wenn der Prostatakrebs im Frühstadium entdeckt wird, ist er in der Regel sehr gut behandelbar (siehe Artikel „Vorsorge“ auf unserer Internetseite).
3. Gut- oder bösartig?
Erkrankungen der Prostata können gut- oder bösartig sein. Bei Männern, die älter als 50 Jahre sind, stellt die gutartige Vergrößerung der Prostata die häufigste urologische Erkrankung dar. Mediziner nennen das benigne Prostatahyperplasie (BPH) oder benignes Prostatasyndrom (BPS). Weisen die Zellen einer vergrößerten Prostata bösartige (maligne) Merkmale auf, so spricht man von einem Prostatakarzinom (Prostatakrebs). Bei unter 40-Jährigen kommt Prostatakrebs sehr selten vor, allerdings haben ca. 80% der 80jährigen Männer ein Prostatakarzinom, welches oft latent (nicht aktiv) ist, das sie sozusagen mit ins Grab nehmen. Viele ältere Männer sterben also nicht durch den Tumor, sondern mit dem Tumor.
4. Die gutartige Vergrößerung der Prostata: Die benigne Prostatahyperplasie (BPH)
Alle Zellen des Körpers unterliegen einer regelmäßigen Erneuerung. Wenn die Zellen entweder ihre maximale Lebenspanne erreicht haben oder in irgendeiner Form beschädigt sind, werden sie vom Körper abgebaut. Neu gebildete, „junge“ Zellen nehmen dann ihren Platz ein. Bei der benignen Prostatahyperplasie kommt es zu einer übermäßigen Neubildung von Prostatazellen. Als Folge vergrößert sich die Prostata und engt dadurch die Harnröhre ein. Das ist bei fast der Hälfte aller Männer über 50 Jahre der Fall. Ursache dafür ist die altersbedingte Veränderung des männlichen Hormonhaushaltes. Anzeichen für eine solche Prostatavergrößerung können sein: verzögertes Einsetzen des Wasserlassens, abgeschwächter (oder dünner) Harnstrahl, verlängerte Dauer des Wasserlassens, Restharngefühl, plötzlicher oder vermehrter Harndrang, häufiges Wasserlassen kleiner Mengen (auch nachts), Schmerzen beim Wasserlassen sowie Harnverhalt und Blut im Harn. – Hinweis: Auch eine gutartige Prostatavergrößerung sollte vom Arzt kontrolliert und überwacht werden, denn es ist bekannt, dass auch aus diesen zunächst gutartigen Zellveränderungen Prostatakrebs entstehen kann.
5. Unkontrolliertes Wachstum bösartiger Zellen nennt man „Krebs“
Als Prostatakrebs bezeichnet man das unkontrollierte Wachstum von Zellen der Prostatadrüse, die bei der histologischen Untersuchung durch einen Pathologen als bösartig (maligne) eingestuft werden. Da ein Prostatakrebs oft sehr langsam wächst, bereitet er im Anfangsstadium, d.h. solange er noch klein und auf die Drüse selbst begrenzt ist, nur selten Beschwerden.
6. Nicht alle Prostatakarzinome wachsen langsam
Einige Prostatakarzinome wachsen aus Gründen, die man heute noch nicht genau versteht, schnell („Raubtierkrebs“). Meist wird das Tumorwachstum für den Betroffenen erst erkennbar, wenn das Prostatakarzinom so groß ist, dass es Druck auf die Harnröhre ausübt und beispielsweise zu Blasenentleerungsstörungen führt. Wenn der Tumor schon über die Prostata hinausgewachsen ist, spricht der Arzt von einem fortgeschrittenen Tumor.
7. Prostatakarzinome können Metastasen verursachen
Prostatatumore haben die gefährliche Tendenz, in anderen Geweben Tochtergeschwülste (Metastasen) zu bilden. Betroffen sind hiervon vor allem die Knochen der Lendenwirbelsäule und des Beckens. Neben Schmerzen kann es so auch z.B. zu Wirbelbrüchen kommen. Durch eine solche Metastasenbildung verschlechtert sich natürlich auch die Prognose (ärztliche Beurteilung des Verlaufes einer Krankheit) des Patienten.
8. Ursachen und Risikofaktoren
Wohl jeder Mann, bei dem ein Prostatakarzinom diagnostiziert wurde, macht sich über die Ursachen seiner Erkrankung Gedanken.
Krebsregister und Studien nennen als Hauptrisikofaktor des Prostatakarzinoms das Alter des Mannes (> 65 Jahre). Auch ist die Wahrscheinlichkeit, ein Prostatakarzinom zu entwickeln, höher, wenn diese Erkrankung bereits bei genetisch verwandten Familienmitgliedern aufgetreten ist. Wie Untersuchungen belegen, haben Männer, deren Brüder und/oder Väter an einem Prostatakarzinom erkrankt sind oder waren, ein zweifach höheres Risiko, im Laufe des Lebens ein Prostatakarzinom zu entwickeln.
Derzeit werden weitere potentielle Risikofaktoren diskutiert und intensiv beforscht, wie beispielsweise Ernährungsgewohnheiten, Lebensstil, entzündliche Erkrankungen der Prostata, Alkohol- und Tabakkonsum sowie Übergewicht. Auch ein potentieller Zusammenhang zwischen dem Prostatakarzinom und Erkrankungen wie Diabetes mellitus, sexuell übertragbaren Erkrankungen und dem benignen Prostatasyndrom (BPS) ist Gegenstand aktueller Forschungen. Obwohl es bisher keine eindeutigen Belege gibt, dass diese Faktoren für die Entstehung dieses Männerkrebses verantwortlich sind, geht man dennoch allgemein davon aus, dass Männer, die sehr viel Fleisch oder tierisches Eiweiß und Fett zu sich nehmen, ein deutlich höheres Risiko haben, an Prostatakrebs zu erkranken. Auch sollten Zucker, gesättigte Fette und Alkohol nur mit Vorsicht genossen werden, weil sie besonders energiereiche Nahrungsmittel sind, die wenige Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe haben. Zusätzlich sollte man sich immer viel bewegen, wenn man etwas für seine Gesundheit tun möchte.
9. Prostatakarzinome haben oft erst spät Symptome
Im Frühstadium der Erkrankung gibt es kaum Anzeichen oder Beschwerden. Daher wird diese Krankheit in dieser Phase meist nur zufällig im Rahmen einer Früherkennungsuntersuchung entdeckt.
Tückisch ist auch, dass die ersten Warnsignale bei gut- und bösartigen Prostataveränderungen oft gleich sind (siehe oben). Wenn solche Symptome allerdings im Zusammenhang mit Prostatakrebs auftreten, hat die Krankheit oft schon ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Je früher der Tumor erkannt wird, desto größer sind auch seine Heilungschancen. Spätestens ab dem 45. Lebensjahr sollte man deshalb zur Vorsorgeuntersuchung gehen.
10. Wie erkennt man ein Prostatakarzinom?
Ein Prostatakarzinom ist ohne zielgerichtete Untersuchungen nicht diagnostizierbar. Für Früherkennung und Diagnose gibt es einige grundlegende Untersuchungen:
Beim Abtasten der Geschlechtsorgane und der Lymphknoten in der Leiste und bei der Tastuntersuchung der Prostata vom Enddarm aus (digital-rektale Untersuchung) sucht der Arzt nach Auffälligkeiten bzw. Verhärtungen. Auch der PSA-Blutwert ist ein wichtiger Faktor bei der Früherkennung, bei der Abklärung einer Verdachtsdiagnose und bei der Beurteilung des Verlaufs der Behandlung eines Prostatakrebses (siehe Artikel „PSA-Bluttest“). Zusätzlich können auch eine Ultraschalluntersuchung und das bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) wichtige Anhaltspunkte für ein vorliegendes Prostatakarzinom liefern. Die Skelettszintigraphie kommt zum Einsatz, wenn es darum geht, Knochenmetastasen aufzuspüren. Eine noch relativ junge und noch nicht weit verbreitete Zusatzuntersuchung ist die sogenannte Elastographie, bei der es darum geht, weiches von hartem (meist krebsartigen) Gewebe zu unterscheiden.
Letztlich gibt es aber nur eine einzige sichere Methode, den Prostatakrebs zweifelsfrei zu diagnostizieren, nämlich die sogenannte „Stanzbiopsie“. Das vom Urologen aus der Prostata entnommene Gewebe wird von einem Pathologen untersucht, der dann die Diagnose stellt und auch Aussagen darüber treffen kann, wie groß und bösartig (aggressiv) der Krebs ist. Bei der Stanzbiopsie ist es für den Urologen jedoch nicht immer einfach, die vom Krebs befallenen Stellen der Prostata auch zu finden. Aber auch da gibt es immer bessere Methoden (z.B. die Fusionsbiopsie).
11. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Für den Arzt sind in der Regel folgende Kriterien für die Therapie des Prostatakrebses von Bedeutung: die allgemeine Lebenserwartung des Patienten (z.B. Alter und Begleiterkrankungen), das Tumorstadium (Wie weit ist der Tumor fortschritten?), die Geschwindigkeit des Tumorwachstums (Wie aggressiv ist der Tumor?) und die Vorstellungen und Wünsche des Patienten bezüglich seiner Behandlung.
Da das Prostatakarzinom in der Regel langsam wächst, kann es unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei Niedrig-Risiko-Tumoren = „Haustierkrebs“) sinnvoll sein, mit der Therapie zunächst abzuwarten. Dabei wird eine Behandlung unter der aktiven Überwachung eines erfahrenen Arztes aufgeschoben, um dem Patienten die Nebenwirkungen einer radikalen Therapie zu ersparen und das Wachstum des Krebses besser beurteilen zu können.
Je nach Tumorstadium und den o. a. Kriterien gibt es verschiedene weitere Standard-Behandlungsmöglichkeiten: die Operation, die unterschiedlichen Arten der Strahlenbehandlung, die Antihormontherapie (Hormonblockade) und die Chemotherapie. Außerdem gibt es noch weitere zielgerichtete Behandlungsmöglichkeiten, die man sinnvoller Weise mit dem Facharzt seines Vertrauens besprechen sollte, weil sie sich in ganz besonderer Weise nach der individuellen Situation des Patienten richten. Das gilt ganz besonders für Patienten, die sich in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium befinden. Je nach Situation kann auch eine ergänzende Therapie mit Bisphosphonaten sinnvoll sein.
Welche Therapie für den einzelnen Patienten sinnvoll ist, entscheidet grundsätzlich immer der Patient. Dabei sollte er sich natürlich durch den Facharzt seines Vertrauens intensiv beraten lassen. Im Zweifelsfalle sollte man auch daran denken, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Sicherlich kann auch eine Selbsthilfegruppe hilfreich sein, da dort u.a. auch ein Erfahrungsaustausch mit Männern, die selbst von dieser Krankheit betroffen sind, stattfindet. Für alle Phasen des Prostatakarzinoms (Vorsorge, Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Reha und Nachsorge) gibt es die sogenannte S3-Leitlinie, welche als wichtiger und zentraler Leitfaden für die Ärzte gilt und auf medizinisch-wissenschaftlicher Basis ständig weiterentwickelt wird.
12. Wie sieht der Krankheitsverlauf aus?
Normalerweise sind die Männer, bei denen ein Prostatakarzinom auftritt, zwischen 65 bis 69 Jahre alt. Da dieser Männerkrebs in der Regel nur langsam wächst, beeinträchtigt der Tumor die Lebensqualität vieler Patienten bis zu ihrem Lebensende oft nicht wesentlich. Die Diagnose „Prostatakrebs“ bedeutet also kein Todesurteil, besonders dann, wenn man den Tumor frühzeitig erkennt.
Aber nicht jeder Prostatakrebs wächst langsam. Somit hängt im Einzelfall die Prognose des Patienten natürlich von seiner individuellen Situation ab. Nach der Gewebeentnahme (Biopsie) kann der Pathologe den so genannten „Gleason-Score“ bestimmen, der Auskunft gibt, ob es sich um einen aggressiven Krebs handelt („Haustierkrebs“ oder „Raubtierkrebs“) und wie weit er bereits vorangeschritten ist. Außerdem gibt er Hinweise auf geeignete Behandlungsmethoden und natürlich dient er auch als Orientierung für die individuelle Prognose des Patienten.
Text: Dr. R. Wissler und L. Stock